Fragen an
Jan Viebahn: „Wer schweigt stimmt zu und kann nichts verändern“
Jan Viebahn schreibt Dark Fantasy und hat eine Trilogie um die Yrangir-Welt sowie das satirische „Handbuch der Dämonenkunde“ veröffentlicht. Er äußert sich in seinen Texten explizit politisch.
Q: Wie bist du zum Schreiben gekommen?
A: Ich schreibe, da es mir zum einen gut tut und ich auch denke, dass ich etwas zu sagen habe. Das liegt nicht daran, dass ich mich für außergewöhnlich talentiert oder besonders intelligent halte. Aber die Umstände meines Lebens waren extrem und das verändert. Es bringt zum Nachdenken und verrückt die Sicht der Dinge.
Ich bin schon in jungen Jahren schwer erkrankt. Als ich um die Dreißig war, haben sich meine chronischen Krankheiten stabilisiert und es gibt für mich durchaus gute Chancen, ein normales Alter zu erreichen. Das brachte nach extremem Leid die Wende hin zum Schreiben. Denn ich fragte mich: „Was willst du aus deinem Leben noch machen?“ Und da tauchte in mir der Wunsch auf zu schreiben und hoffentlich irgendwann damit etwas zu bewirken.
In den weiteren ungefähr zehn Jahren lernte ich die Grundzüge der Schriftstellerei und schrieb meine Yrangir-Dark Fantasy-Trilogie sowie das Handbuch der Dämonenkunde. Ich hoffe und denke da folgt noch viel mehr, bis ich den Löffel dann tatsächlich abgebe.
Q: Worum geht es in deiner Trilogie?
A: Die Bücher meiner Reihe lassen sich separat lesen. In Band Eins ist der Protagonist ein normaler Mensch aus dem „Hier und Jetzt“, der in eine Fantasywelt geschleudert wird und dort im Körper eines Dämons erwacht. Er ist augenblicklich in die dunklen Ränkespiele der Hitarii, die dem Chaoskult huldigen und die ganze Welt Yrangir unterjochen wollen, verwickelt. Ihnen stellen sich nur noch die Menschen des Kaiserreichs Insugnia entgegen. In Band Zwei gerät der Protagonist Stadtwacheleutnant Erkar Bodin in eine Verschwörung. Er versucht, die Dinge aufzudecken, aber da er sich selbst immer wieder im Wege steht, stellt sich das als schwierig heraus. Das führt dazu, dass es in Band Drei einen offenen Krieg zwischen dem Dunklen Reich und dem Kaiserreich gibt. Viel Blut fließt und auch hier gibt es einige Wendungen, die den Leser vermutlich überraschen werden. Über das Ende werde ich aber natürlich nichts verraten.
Q: In allen deinen bisherigen Büchern kommen Dämonen vor und auch ein Kult spielt eine Rolle. Was fasziniert dich daran? Bist du religiös?
A: Hehe, also nein, nicht im herkömmlichen Sinne. Ich glaube aber an humanistische Werte und auch an das Gute an sich. Genauso glaube ich aber auch, dass das Böse existiert und man sich dagegenstellen muss. Dämonen sind dafür eine gute Manifestation des Ungreifbaren. Glaubensorganisationen sehe ich übrigens als den falschen Weg an und kann ich guten Gewissens nicht wirklich unterstützen.
Zum Beispiel die katholische Kirche: Wer so viel Geld gehortet hat und dabei in der Vergangenheit so viel Leid angerichtet hat, dem kann ich nicht folgen. Auch heute ist es ja noch so, dass die katholische Kirche mehr predigt als wirklich zu handeln, obwohl sie die Mittel dazu hätte. Und so einige Dinge stoßen mir besonders auf, wie zum Beispiel das Kondomverbot, um jetzt mal was anderes zu nennen, als die gängigen Diskussionspunkte. Besonders in weiten Teilen Afrikas führt das nämlich immer noch zu unglaublich vielen Infektionen mit AIDS.
Andere Religionen sind aber auch nicht besser. Mehrheitlich islamische Staaten zum Beispiel haben meist nicht mal die Trennung zwischen Kirche und Staat geschafft. Ganz falsche Sache meiner Ansicht nach, die zu extrem viel Leid und Unterdrückung im Namen des Glaubens führt, denn der Islam ist, genau wie alle anderen Religionen, alt und kommt aus einer dunklen Zeit der Menschheitsgeschichte, in der Rechtsprechung nicht viel mit Gerechtigkeit zu tun hatte. Dadurch ist auch er größtenteils mit veralteten Dogmen durchsetzt. Das betrifft besonders die Rechte der Frauen, aber auch die der gesamten restlichen einfachen Bevölkerung dieser Staaten. Ich könnte jetzt mit noch weiteren Religionen fortfahren, aber lassen wir das, es ist ähnlich.
Q: Du engagierst dich im Internet für diverse NGOs und unterstützt einige davon auch finanziell, sowie Ärzte ohne Grenzen mit 25 % der Erlöse deiner Bücher. Warum tust du das?
A: Ich halte es für absolut wichtig sich in der heutigen Zeit zu engagieren, jeder so wie er kann. NGOs sind für mich ein Weg zu mehr Demokratie. Da werden die wichtigen Themen aufgegriffen und publik gemacht. Politiker reden ja leider nur noch um den heißen Brei herum, und sind auch schon lange nicht mehr dafür bekannt ihr Wort zu halten, auf jeden Fall nicht ohne Druck und den können die NGOs herstellen.
Versteht mich bitte nicht falsch. Ich halte unser demokratisches System im Grundsatz für absolut richtig. Es müsste nur wesentlich sozialer justiert sein. Daher ist es für mich auch kein Wunder, dass eine Partei wie die SPD, die sich ja sozialdemokratisch nennt, und die ich lange gewählt habe, im Moment so einen Absturz erlebt. Meiner Meinung nach haben sie einfach viel zu wenig soziale Politik gemacht. Hartz IV spricht da für sich selbst ganze Bände, aber auch die Besteuerung der Reichen, die ja zum Beispiel unter der GroKo schon lange mindestens zehn Prozent niedriger ist als selbst unter Helmut Kohl.
Q: Du äußerst dich in deinen Texten, wie im „Handbuch der Dämonenkunde“ an einigen Stellen sehr deutlich politisch. Soll Literatur deiner Meinung nach politisch sein?
A: Ja! Natürlich nicht alle Literatur, aber gerade Autoren, die doch einen Bekanntheitsgrad haben, viel gelesen haben und dadurch oft sehr vernünftige Meinungen und Vorschläge vertreten, sollten sich an gesellschaftlichen Diskussionen beteiligen. Wer schweigt, stimmt zu und kann nichts verändern, nur hinnehmen was passiert. Daran ändert auch das Kreuz bei gelegentlichen Wahlen wenig. Da fällt mir direkt die AfD ein, die ist für mich absolut keine Alternative für Deutschland. Ich verstehe, dass die Menschen wütend sind und vermutlich die Meisten aus Protest gegen diese Regierung diese Partei wählen. Das ist aber nicht der richtige Weg.
Nehmen wir einfach mal an, die AfD würde tatsächlich eine Mehrheit bekommen und die Regierung bilden. Die Folge wäre das Vierte Reich. Das kann keiner ernsthaft bestreiten, der sich mal die Debatten im Bundestag angehört hat oder die Kommentare der AfD-Politiker in den Medien verfolgt. Die sind wirklich so weit rechts außen, dahinter ist der Dschungel.
Es darf niemals wieder eine menschenverachtende Diktatur unser Land regieren. Dafür müssen wir alle kämpfen! Ich weiß auch nicht, was man wählen kann, um wirklich einen Umschwung zu bewirken, aber wir brauchen eine Regierung, die im Sinne der Menschen handelt und nicht in dem der Konzerne. Bei den nächsten Wahlen werde ich vermutlich DIE PARTEI wählen, einfach, weil es mir gefällt, wenn sich jemand als Stauffenberg verkleidet und Björn Höcke die Schau stiehlt oder wenn einer Redezeit beantragt, nur damit die NPD nicht zu Wort kommt. Da müssten die „großen Parteien“ auch viel aktiver sein.
Aber den eigentlichen Kern des gesellschaftlichen Problems und auch die Ursache für den steilen Aufstieg der Rechten sehe ich im Turbokapitalismus. Die Schere zwischen arm und reich ist mittlerweile so weit auseinandergegangen, dass man sich die Dimensionen kaum vorstellen kann.
Selbst in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, liegt die Kinderarmut bei etwa dreißig Prozent und auch Altersarmut ist auf einem hohen Niveau. Und das, obwohl die allermeisten dieser Rentner ihr Leben lang hart gearbeitet haben. Das Problem wird auch nicht kleiner. Unzählige haben mit einem oder mehreren Jobs heute gerade so viel, dass sie sich und ihre Familien ebenso einigermaßen versorgen können, aber sie alle steuern auf Altersarmut zu.
Und die wirklich wichtigen Berufe in unserer Gesellschaft, nämlich die sozialen, wie etwa Polizei, Feuerwehr, Altenpfleger, Erzieher, Lehrer, Sozialarbeiter usw. werden bei weitem nicht ausreichend gefördert und bezahlt. Das hat natürlich ganz starke Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Wenn man zum Beispiel die Polizei ruft (wie zuletzt in Bonn vor einer Kneipe vorgekommen), weil ein betrunkener Idiot randaliert und droht gewalttätig zu werden und die Polizei dann erst nach einer Stunde kommt, dann fühlt man sich nicht mehr so sicher.
Aber das ist nicht die Schuld der Polizei. Die sind einfach völlig unterbesetzt und müssen Prioritäten setzen.
Q: Was ist dein nächstes Buchprojekt und wie politisch wird es sein?
A: Ich möchte einen Urban-Fantasy-Roman im Zeichen der Zeit schreiben: Zerstörung.
Wir befinden uns im wahrsten Sinne des Wortes am Scheideweg. Wie schon Barack Obama, ein Mann, den ich sehr bewundere, sagte: „Wir sind die erste Generation die den Klimawandel zu spüren bekommt und die letzte, die ihn verhindern kann.“
Mit Zerstörung meine ich die Vernichtung unserer Lebensgrundlage, nämlich unseres Planeten, aufgrund purer Gier der globalen Multikonzerne und ihrer Inhaber. Das geht zwar schon lange so, aber heute sind wir an dem Punkt, an dem es wirklich ernst wird. Viele Klimaforscher schätzen, dass es kaum noch hundert Jahre dauern wird, bis der Planet völlig unbewohnbar ist. Wenn die Menschen sich jetzt nicht zusammenraufen und was dagegen unternehmen, wird das für uns alle eine ganz, ganz fiese Geschichte werden. In dem Fall halte ich sogar eher früher als später einen dritten Weltkrieg um die schwindenden Ressourcen für sehr wahrscheinlich. Dann dauert das Aus keine hundert Jahre mehr.
Denn wie schon Albert Einstein sagte: „Ich weiß nicht mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg geführt wird, aber der vierte wird definitiv mit Steinen und Stöcken ausgetragen.“
Es wäre ein Traum, wenn sich die Menschheit stattdessen friedlich zu einer Gesellschaft zusammenschließen würde, die das Leben liebt und achtet, und zwar alles Leben.
Das mag für viele unmöglich oder abgehoben erscheinen und ich gebe zu, es ist ein weiter Weg bis dahin. Aber warum soll das nicht möglich sein? Es müssten sich nur genügend Menschen ernsthaft dafür einsetzen, dann kämen wir dem Schritt für Schritt immer näher.
In diesem Sinne: Legt „Highway to hell“ auf, genießt die geile Musik und seid euch bewusst, dass wir alle mitten auf seiner breiten Spur mit Höchstgeschwindigkeit fahren und dann legt los, damit wir nicht wirklich dort ankommen, wo er hinführt.
Q: Vielen Dank für das Interview.